Pressemitteilung

Reifenersatzgeschäft 2020 in Deutschland

Absatzrückgang auf geschätztem Niveau, Ergebnis besser als zu erwarten war

„Angesichts des schwierigen allgemeinwirtschaftlichen Umfeldes, in dem das Reifengewerbe von März bis Dezember agiert hat, kann man den Geschäftsverlauf insgesamt als annehmbar bezeichnen – auch wenn wir uns das Jahr 2020 natürlich anders gewünscht hätten“, sagt Michael Schwämmlein, BRV-Geschäftsführer Technik.

Rund 47,4 Millionen Reifen wurden im vergangenen Jahr im Reifenersatzgeschäft in Deutschland verkauft, damit ist der Absatz im Durchschnitt aller Produktsegmente um rund 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Das berichtet der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV, Bonn) nach Auswertung der Marktzahlen 2020. „Der Absatzrückgang liegt auf dem erwarteten Niveau unserer im Herbst 2020 nach unten korrigierten Marktprognose vom Frühjahr letzten Jahres“, kommentiert BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin. Die Frühjahrsprognose hatte der Verband aufgestellt, bevor der erste Lockdown in der Covid-19-Pandemie verhängt wurde.
Mit einem betriebswirtschaftlichen Ergebnis von -1,7 Prozent im Branchendurchschnitt habe die Reifenservicebranche das Geschäftsjahr 2020 aber besser abschließen können als der erwartete Volumenverlust hoffen ließ. „Angesichts des schwierigen allgemeinwirtschaftlichen Umfeldes, in dem das Reifengewerbe von März bis Dezember agiert hat, kann man den Geschäftsverlauf insgesamt als annehmbar bezeichnen – auch wenn wir uns das Jahr 2020 natürlich anders gewünscht hätten“, ergänzt Michael Schwämmlein, BRV-Geschäftsführer Technik, der im Verband die Marktdaten erhebt.

Mit rund neun Zehnteln des Stückabsatzes macht das Segment Consumer-Reifen, bestehend aus den beiden Produktgruppen Pkw-/Off-Road- und Leicht-Lkw-Reifen (Llkw), weiterhin das mit Abstand größte Marktsegment aus. Lkw-Reifen liegen mit rund 5,6 Prozent Marktanteil an der Absatzmenge im Reifenersatzgeschäft 2020 auf Platz 2. Die Nischensegmente Motorrad-Reifen, FARM-Reifen (für Landwirtschafts- und Forstfahrzeuge) und EM-Reifen (für vornehmlich in der Baubranche und im Bergbau genutzte Erdbewegungsmaschinen) machen in Summe die restlichen rund 4 Prozent aus.
In den einzelnen Produktgruppen verlief laut BRV die Sell-Out-Entwicklung (Handel an Verbraucher) 2020 wie folgt:

Segment Consumer-Reifen

Mit etwa 83 Prozent am Gesamtabsatz im Reifenersatzgeschäft 2020 und 92 Prozent Anteil am Absatz im Segment Consumer-Reifen bestimmt die Produktgruppe Pkw und Off-Road-Reifen (4x4) maßgeblich die Entwicklung im Markt. Knapp 39,4 Millionen Reifen wurden in dieser Produktgruppe im vergangenen Jahr verkauft, das entspricht einem Rückgang von 12,1 Prozent im Vergleich zur Vorjahresmenge. Gewinner waren hier erneut einzig die Ganzjahresreifen (All Season), von denen mit rund 9,7 Millionen Stück 7,3 Prozent mehr verkauft wurden als 2019. Der Absatz an Pkw- und 4x4-Winterreifen (M+S) sank um 18,4 Prozent auf 17,2 Millionen Stück, der Absatz an Sommerreifen um 15 Prozent auf 12,5 Millionen. Der Anteil der Ganzjahresreifen an dieser Produktgruppe stieg zu Lasten der Saisonspezialisten für Sommer/Winter erneut um etwa 4,5 Prozentpunkte auf jetzt rund 24,5 Prozent. Winterreifen hatten im vergangenen Jahr am Stückabsatz Pkw/Off-Road einen Anteil von knapp 44 (Vorjahr: 47) Prozent, Sommerreifen rund 32 (Vj.: 33) Prozent.

In der ebenfalls zum Consumer-Segment zählenden Produktgruppe der Reifen für leichte Nutzfahrzeuge (Llkw-Reifen) lag der Stückabsatz 2020 bei 3,41 Millionen und ging damit im Vergleich zum Vorjahr um 8,8 Prozent zurück. Ihr Anteil am Reifenersatzgeschäft gesamt lag damit nahezu unverändert bei rund 7 Prozent. Der Absatz von Ganzjahresreifen stieg in dieser Produktgruppe um 2,1 Prozent, sie machen mittlerweile einen Anteil von 35 Prozent am Mengenabsatz Llkw-Reifen aus (Vj.: 31 Prozent). Winterreifen für Leicht-Lkw erfuhren einen Absatzrückgang von 10,6 Prozent, Sommerreifen von 19,4 Prozent. Auf M+S-Reifen entfielen im Berichtsjahr knapp 43 (Vj.: 44) Prozent der verkauften Menge an Llkw-Reifen, auf Sommerreifen rund 22 (Vj.: 25) Prozent.

Im Segment Consumer gesamt, das die beiden Produktgruppen Pkw-/4x4- und Llkw-Reifen umfasst, lag der Anteil Ganzjahresreifen bei gut 25 Prozent der verkauften Menge und konnte damit im Vergleich zum Vorjahr um fast 4,5 Prozentpunkte weiter zulegen. „Entgegen unserer Hoffnung erwiesen sich Ganzjahresreifen damit im vergangenen Jahr als einzig wachsendes Produktsegment.“, kommentiert Michael Schwämmlein. „Jeder vierte verkaufte Reifen für Pkw und Transporter ist mittlerweile ein Ganzjahresreifen. Besonders bei gewerblich genutzten Leicht-Lkw wie z. B. Handwerkerfahrzeugen und Lieferfahrzeugen ist die Nachfrage hoch.“

Segment Lkw-Reifen

Im Produktsegment Lkw-Reifen wurden im vergangenen Jahr knapp 2,65 Millionen Stück verkauft, das entsprach einem Absatzrückgang von 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Absatz an Neureifen sank um 1,7 Prozent, die verkaufte Menge an runderneuerten Lkw-Reifen war um 5,4 Prozent rückläufig. Dabei war zu beobachten, dass unabhängige Reifenrunderneuerer aus der überwiegend mittelständisch strukturierten Branche anteilig besser abschnitten als die in diesem Geschäftsfeld engagierten Neureifenhersteller.
Das Verhältnis zwischen den beiden Produktgruppen neu und runderneuert verschob sich im Vergleich zum Vorjahr um knapp 0,8 Prozentpunkte zugunsten von Neureifen und lag in diesem Segment jetzt bei etwa 72 zu 28.

Prognose 2021

Für das laufende Jahr rechnet der Reifenfachverband mit einer Aufwärtstendenz bei den Absatzzahlen:
Pkw/4x4: + 6,4 %
Llkw: + 10,9 %
Consumer gesamt: + 6,8 %
Lkw: + 2,5 %

Dabei hebt der Verband hervor, dass die Prognose von vorsichtiger Zuversicht geprägt sei, aufgrund der völlig unwägbaren Entwicklung der Pandemie und ihrer Auswirkungen, insbesondere auf die Fahrleistung im Individualverkehr, aber natürlich noch eher vage. Sie müsse gegebenenfalls im Lauf des Jahres korrigiert werden.
„Auch wenn man davon ausgeht, dass die auf der niedrigen Basis von 2020 fußenden Zuwachsraten erreicht werden können, ist dennoch klar, dass das Mengenvolumen von 2019 frühestens 2022 wieder erreicht werden kann“, dämpft Michael Schwämmlein zudem die Gesamtaussicht für das Absatzvolumen im Reifenersatzgeschäft.

Als anhaltende Trends im Reifenersatzmarkt sieht der BRV die folgenden Entwicklungen:
- Weiterhin steigende Nachfrage nach größeren Reifendimensionen, verursacht durch die Modellpolitik der Automobilhersteller und den hiermit einhergehenden Wandel in der Fahrzeugbereifung, bei Neuzulassungen wie im Fahrzeugbestand.
- Gegenläufige Entwicklungen, die den Reifenersatzbedarf beeinflussen: Einerseits steigende Laufleistung von Reifen und damit geringerer Ersatzbedarf, bedingt durch Fortschritte in der Reifenentwicklung. Andererseits ein wachsender Anteil an Ganzjahresreifen, die tendenziell geringere Laufleistung haben als der kombinierte Einsatz von Sommer- und Winterreifen und somit schneller ersetzt werden müssen, sowie ein steigender Anteil von schweren drehmomentstarken Fahrzeugen (E-/Hybrid-Fz.).
- Eine zukünftig stärkere Abhängigkeit des Ersatzbedarfs im Pkw-Bereich von den durchschnittlichen Jahreslaufleistungen der Fahrzeuge als vom Bestand an sich.
- Einen weiter steigenden Absatzanteil von Ganzjahresreifen, mit stärkerer Ausprägung im Transportersegment als bei Pkw. Hier wird die Nachfrage beflügelt durch den zunehmenden Verteiler- und Lieferverkehr des wachsenden Online-Handels.
- Gedämpfte Wachstumschancen im Segment Lkw-Reifen, weil Förderprogramme Impulse für die Erneuerung von Flottenfahrzeugen geben, was in den ersten Jahren nach Anschaffung der Neuwagen den Ersatzbedarf schmälert.
- Im Produktbereich Lkw-Reifen eine im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt des Segmentes leicht überproportionale Nachfrage nach Neureifen zu Lasten des Marktanteils runderneuerter Lkw-Reifen. Im Zusammenhang mit den auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Forderungen von Kreislaufwirtschaft und europäischem „Green Deal“ bezeichnet der Branchenverband dies als kontraproduktive Entwicklung.
- Ein wachsendes Entsorgungsproblem bei Altreifen, gepaart mit zunehmenden Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung und -nutzung.

Umsatz und Betriebsergebnis besser als erwartet

Trotz der deutlich rückläufigen Absatzmengen zeigt der BRV-Jahresbetriebsvergleich für das Gesamtjahr 2020, dass der Umsatz je Outlet der meldenden Betriebe in etwa auf Vorjahresniveau gehalten werden konnte. Der Rohertrag ist im Gesamtdurchschnitt um etwa 0,3 Prozent gestiegen, bei ebenfalls leicht gestiegenen Gesamtkosten ergibt sich ein durchschnittliches Betriebsergebnis von -1,7 Prozent. Damit wurde in Summe zwar kein zufriedenstellendes, ein angesichts der Corona-Ausnahmesituation aber annehmbares Ergebnis erwirtschaftet, das im Branchenschnitt besser ausgefallen ist als zunächst befürchtet.

Diese Entwicklung resultiert in erster Linie daraus, dass das Geschäft in den Dienstleistungsbereichen Reifenservice und Autoservice ausgebaut werden konnte. Besonders die nicht-filialisierten Unternehmen konnten hiervon offenbar profitieren, denn sie verzeichneten leicht positive Umsatzrenditen, während das Betriebsergebnis in Filialunternehmen schlechter lag als der Branchendurchschnitt.
„Unsere qualitativ orientierte Marktanalyse zeigt, worauf es jetzt mehr denn je bei der Marktbearbeitung ankommt: Überzeugende Dienstleistungsangebote, kalkuliert auf betriebswirtschaftich solider Basis, und eine sensibel gesteuerte Preispolitik im Produktbereich.“, sagt BRV-Geschäftsführer Lowin. Wichtig seien außerdem gezielte Kundenbindung und eine klare Kommunikation im Einzugsgebiet zur Nutzbarkeit des Leistungsangebotes (Erreichbarkeit, Öffnungszeiten, Leistungsportfolio, Kontaktregeln und Hygienekonzept, ggf. pandemie-spezifische Zusatzservices wie Hol- und Bringdienst).

„Die Reifenspezialisten sind gefordert, alle Register zu ziehen, um die benötigten Budgets für mittelfristig erforderliche Investitionen zu erwirtschaften“, hebt Technik-Geschäftsführer Michael Schwämmlein ergänzend hervor. Denn die rasante Entwicklung in der Automobiltechnologie – Stichworte: vernetztes Fahrzeug, neue Antriebskonzepte und autonomes Fahren – wird ihnen in naher Zukunft in punkto zeitgemäße Werkstattausrüstung sowie Aus- und Weiterbildung einiges abverlangen. Andererseits gilt: Je komplizierter die Technik, desto besser sind die Marktchancen für wettbewerbsfähige Spezialisten!