Pressemitteilung

Reifenersatzgeschäft 2021 in Deutschland

Mengenabsatz leicht gestiegen, aber noch unter dem Niveau vor Corona, gute Durchschnittsergebnisse mit breiter Spreizung

Gut 48 Millionen Reifen wurden im vergangenen Jahr im Ersatzmarkt an Verbraucher verkauft.

Rund 48,4 Millionen Reifen wurden im vergangenen Jahr im Reifenersatzgeschäft in Deutschland verkauft, rund eine Million mehr als im Vorjahr. Nach einem 11-prozentigen Rückgang in 2020 ist damit 2021 der Stückabsatz (Handel an Verbraucher) im Durchschnitt aller Produktsegmente um etwa 2 Prozent gestiegen. Das berichtet der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV, Bonn) nach Auswertung der Marktzahlen 2021. „Die Branchenlage hat sich leicht erholt, ohne jedoch auf das Vor-Corona-Niveau aufschließen zu können“, resümiert Michael Schwämmlein, Geschäftsführer Technik und Marktdaten-Spezialist des bundesweit tätigen Fachverbandes. „Im Vergleich zu 2019 liegt der Mengenabsatz im Gesamtmarkt noch um etwa 9 Prozent zurück.“
Die Aufwärts-Prognose vom März vergangenen Jahres hat sich damit in der Tendenz bestätigt, doch im Marktsegment Consumer-Reifen, das das Mengenergebnis entscheidend beeinflusst, fiel der Zuwachs im Gesamtjahr 2021 mit rund 2 Prozent auf insgesamt 43,7 Mio. Stück geringer aus als erhofft. Schon im vergangenen Frühjahr war der Verband aber davon ausgegangen, dass das Mengenvolumen des Jahres 2019 im Reifenersatzmarkt insgesamt frühestens 2022 wieder erreicht werden könnte.

Mit unverändert rund neun Zehnteln des Stückabsatzes macht das Segment Consumer-Reifen, bestehend aus den beiden Produktgruppen Pkw-/Off-Road(4x4)- und Leicht-Lkw-Reifen (LLkw), weiterhin das mit Abstand größte Marktsegment aus. Lkw-Reifen liegen mit rund 5,7 (Vj.: knapp 5,6) Prozent Marktanteil an der Absatzmenge im Reifenersatzgeschäft 2021 auf Platz 2. Die Nischensegmente Motorrad-Reifen, FARM-Reifen (für Landwirtschafts- und Forstfahrzeuge) und EM-Reifen (für vornehmlich in der Baubranche und im Bergbau genutzte Erdbewegungsmaschinen) machen in Summe die restlichen gut 4 Prozent aus.

In den einzelnen Produktgruppen verlief laut BRV die Sell-Out-Entwicklung (Handel an Verbraucher) 2021 wie folgt:

Segment Consumer-Reifen

Mit rund 82 (Vj.: 83) Prozent am Gesamtabsatz im Reifenersatzgeschäft 2021 und 91 (Vj.: 92) Prozent Anteil am Absatz im Segment Consumer-Reifen bestimmt die Produktgruppe Pkw- und Off-Road-Reifen (4x4) maßgeblich die Entwicklung im Markt. Rund 39,8 Millionen Reifen wurden in dieser Produktgruppe im vergangenen Jahr verkauft, das entspricht einem Plus von 1,2 Prozent im Vergleich zur Vorjahresmenge. Gewinner waren hier erneut die Ganzjahresreifen (All Season), von denen mit knapp 10,8 Millionen Stück 11,5 Prozent mehr abgesetzt wurden als 2020. Der Zuwachs in dieser Produktgruppe ging hauptsächlich zu Lasten von Winterreifen (M+S). Hier sank der Absatz um 5,1 Prozent auf 16,3 Millionen Stück, während der Absatz an Sommerreifen für Pkw und Allradfahrzeuge um 1,8 Prozent auf 12,7 Millionen stieg.
Trotz des leichten Mengenzuwachses im Vergleich zum Vorjahr blieb der Absatz in der Produktgruppe Pkw-/4x4-Reifen 2021 um rund 11 Prozent hinter dem Ergebnis von 2019 zurück. Vor allem ein starker Rückgang im Pkw-Flottenbereich, die um rund 4 Prozent weiter gesunkene durchschnittliche Jahresfahrleistung und deutlich geringere Pkw-Neuzulassungen, die durch die Chipkrise bedingt waren und zu entsprechend geringeren Absätzen von Winter-Zweitradsätzen führten, verhinderten eine stärkere Erholung des Pkw-Reifenmarktes.
Innerhalb der Produktgruppe Pkw-/4x4-Reifen stieg der Anteil der Ganzjahresreifen zu Lasten der Saisonspezialisten erneut um etwa 2,5 Prozentpunkte auf jetzt rund 27 Prozent. Winterreifen hatten im vergangenen Jahr am Stückabsatz Pkw/Off-Road-Reifen einen Anteil von knapp 41 (Vorjahr: 43,7) Prozent, Sommerreifen lagen mit rund 32 Prozent anteilsmäßig etwa auf Vorjahresniveau.

In der ebenfalls zum Consumer-Segment zählenden Produktgruppe der Reifen für leichte Nutzfahrzeuge (Leicht-Lkw- bzw. LLkw-Reifen) lag der Stückabsatz 2021 bei 3,84 Millionen und stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um 12,6 Prozent. Ihr Anteil am Reifenersatzgeschäft gesamt wuchs damit auf knapp 8 (Vj.: 7) Prozent. Der LLkw-Reifenmarkt profitierte damit von einer weiterhin starken Entwicklung im Kurier- und Lieferdienstbereich, verursacht durch erneute Zuwächse im Online-Handel, sowie von der hohen Nachfrage nach Handwerksleistungen. Beide Dienstleister-Gruppen sind die typischen Nutzer von Leicht-Lkw und Transporterfahrzeugen – und je intensiver die Nutzung, desto höher der Verschleiß.
Der Absatz von Ganzjahresreifen stieg auch in dieser Produktgruppe: Mit einem Absatzplus von 21,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr machen sie inzwischen einen Anteil von knapp 38 (Vj.: 35) Prozent am Mengenabsatz LLkw-Reifen aus. Der Absatz von Winterreifen wuchs in diesem Produktsegment 2021 um 9,8 Prozent, der Absatz von Sommerreifen um 4,0 Prozent und damit deutlich stärker als in der Produktgruppe Pkw-Reifen. Auf M+S-Reifen entfielen im Berichtsjahr knapp 42 (Vj.: 43) Prozent der verkauften Menge an LLkw-Reifen, auf Sommerreifen gut 20 (Vj.: knapp 22) Prozent.

Betrachtet man das Segment Consumer gesamt, das die beiden Produktgruppen Pkw-/4x4- und Llkw-Reifen umfasst, erwiesen sich die Ganzjahresreifen mit einem Absatzplus von 12,6 Prozent 2021 wie erwartet als Hauptwachstumssegment. Die Entwicklung ging primär zu Lasten von Winterreifen (-4 Prozent Absatz), während bei Sommerreifen mit einem 2-prozentigen Absatzplus nur ein leichter Zuwachs erreicht werden konnte, so dass auch das Segment insgesamt mit einem leichten Plus von gut 2 Prozent abschloss. Der Anteil von Ganzjahresreifen stieg damit im Consumer-Segment auf rund 28 (Vj.: 25) Prozent der verkauften Menge. „Besonders hoch bleibt die Nachfrage nach All-Season-Reifen bei Handwerker- und Lieferfahrzeugen“, differenziert BRV-Technik-Geschäftsführer Michael Schwämmlein und erläutert: „Sowohl bei Pkw als auch bei LLkw entfällt der größte Absatzanteil mit knapp 41 respektive 42 Prozent auf Winterreifen. Der Typ ‚Ganzjahresreifen‘ liegt bei LLkw-Reifen mit knapp 38 Prozent dicht dahinter auf Platz 2, bei Pkw-Reifen hingegen mit etwa 27 Prozent noch hinter Sommerreifen (32 Prozent) auf Platz 3.“

Segment Lkw-Reifen

Im Produktsegment Lkw-Reifen wurden im vergangenen Jahr knapp 2,8 Millionen Stück verkauft, das entsprach einem Absatzzuwachs von 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das erhöhte Transportaufkommen mit einer um 3-4 Prozent gestiegenen Transportleistung spiegelt sich hier im Reifenersatzbedarf. Im Vergleich zu Pkw gab es bei Nutzfahrzeugen zudem eine gute Entwicklung in der Erstausrüstung, was teilweise zu Lieferproblemen im Ersatzmarkt führte, weil pandemiebedingt noch nicht alle Produktionskapazitäten wieder voll verfügbar waren. Der Absatz an Neureifen stieg um rund rund 4 Prozent, die verkaufte Menge an runderneuerten Lkw-Reifen um 6 Prozent. Die Runderneuerer profitierten dabei von den Lieferschwierigkeiten, den hohen Transportkosten und den starken Preissteigerungen für Neureifen. Der Anteil runderneuerter Reifen am Lkw-Reifenersatzgeschäft liegt bei 28 Prozent.

Prognose mit vielen Fragezeichen

Aufgrund der anhaltenden Pandemie und der geopolitischen Situation ist die Entwicklung des Marktumfeldes im laufenden Jahr momentan extrem schwierig einzuschätzen. Entsprechend schwer ist es, eine verlässliche Prognose für den Reifenersatzmarkt 2022 abzugeben.
Fakt ist, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine jetzt schon zum Teil massive negative Auswirkungen hat und weitere erwarten lässt: Engpässe in der Versorgung mit Rohstoffen und/oder Zulieferkomponenten für Reifenfertigung und Automobilherstellung gehen einher mit teils schon enorm erhöhten und weiter steigenden Kosten für Rohstoffe, Teile, Transport und die für die Fertigung benötigte Energie. Auch auf der Verbraucherseite ist mit steigenden Produkt-, Treibstoff- und Energiepreisen zu rechnen, was zu erhöhter Inflation führt und entsprechenden Konsumverzicht auslösen kann. Relevant für das Reifenersatzgeschäft wären hier konkret z. B. weiter sinkende Pkw-Fahrleistung, aufgeschobene Ersatz­beschaffungen und ein Verzicht auf Neuinvestitionen.

Vor diesem Hintergrund schränkt der BRV seine Wachstumserwartung für die Produktgruppe Pkw-/SUV-/4x4-Reifen auf derzeit rund 3 Prozent ein, wobei sich voraussichtlich erneut das Segment Ganzjahresreifen am stärksten entwickeln wird. Für Sommer- wie auch für Winterreifen wird in dieser Produktgruppe bestenfalls eine sehr verhaltene Steigerung bis Stagnation erwartet.
Gedämpft sind auch die Aussichten für die Produktgruppe LLkw-/Transporter-Reifen: Hier hält der Verband zur Zeit 4-5 Prozent Absatzzuwachs für möglich, womit das Segment Consumer-Reifen insgesamt auf etwas über 3 Prozent Wachstum käme.
Im Segment Lkw-Reifen rechnet der BRV, bedingt durch negative Einflussfaktoren wie starke Kostensteigerungen (Treibstoff, Personalkosten) und Fahrermangel im Transportsektor höchstens mit einem minimalen Wachstum um 1 Prozent.
„Die derzeitige Situation lässt es fraglich erscheinen, dass das Absatzniveau von 2019 im Reifenersatzgeschäft in diesem Jahr auch nur ansatzweise schon wieder erreicht werden kann“, sagt Michael Schwämmlein.

Einstellen auf die Marktbedingungen

Umso mehr gelte es für die Betriebe der Branche, ihre „Hausaufgaben zu machen“ und sich bestmöglich auf die geltenden Marktbedingungen einzustellen. Dass das im vergangenen Geschäftsjahr – jedenfalls im Branchendurchschnitt – gelungen ist, zeigt die qualitative Analyse des Fachverbandes. „Wie gut der Reifenfachhandel sich am Markt behaupten kann, ist schließlich nicht nur eine Frage der verkauften Menge“, sagt Yorick M. Lowin, Geschäftsführer des BRV. Zur reinen Stückzahlbetrachtung müsse sich die betriebswirtschaftliche Analyse gesellen – und die sei im Hinblick auf das auch schon herausfordernde Geschäftsjahr 2021 durchaus ermutigend für die Branche.

Der jüngst vorgelegte BRV-Jahresbetriebsvergleich für das Gesamtjahr 2021 zeigt, dass der Umsatz im Durchschnitt der meldenden Betriebe um 7,5 Prozent und der Rohertrag um 5,7 Prozent gesteigert werden konnte. Die Durchschnittsrendite im Gesamtmarkt liegt – nach einem negativen Betriebsergebnis im Vorjahr – per Dezember 2021 bei 1,1 Prozent vom Umsatz. Der Umsatz mit Reifenservice-Dienstleistungen wie Montage, Auswuchten oder Einlagerung stieg im Gesamtschnitt um knapp 5 Prozent und auch das Wachstum im Dienstleistungsbereich Autoservice hielt an: Hier wurde im vergangenen Jahr rund 12 Prozent mehr Umsatz realisiert als im Vorjahr. Der Gesamtkosten-Anteil am Umsatz sank trotz steigender Personalkosten. „Die Produktpreiserhöhungen der Hersteller wurden nicht durch Margenverzicht aufgefangen, die Preise für die erbrachten Dienstleistungen wurden auf ein betriebswirtschaftlich erforderliches Niveau angepasst und das neue Preisniveau am Markt durchgesetzt“, folgert Yorick M. Lowin.

Bei genauerer Analyse der betriebswirtschaftichen Auswertungen zeige sich allerdings, dass hinsichtlich der erreichten Ergebnisse die Spreizung der Betriebe immer größer werde. „Die Streubreite zwischen guten und schlechten Ergebnissen ist gewachsen und je mehr die Ergebnisse vom Branchendurchschnitt entfernt sind, desto weniger eignet sich der Durchschnitt zur Abbildung der Gesamtbranche.“ Durschnittszahlen seien deshalb zwar ein Anhaltspunkt zur Lagebewertung, aber dennoch mit Vorsicht zu genießen. Lowin: „Speziell in der Pandemie war die Beschaffenheit der Kundschaft entscheidend für die Entwicklung des Unternehmens. Bei zwei Unternehmen mit vergleichbarer Angebotsstruktur und im gleichen regionalen Umfeld können die erzielten Ergebnisse stark differieren; je nachdem z. B., ob mehr Privatkunden im Homeoffice gearbeitet und das Auto viel weniger genutzt haben oder ob mehr Angehörige der ‚kritischen Infrastruktur‘ wie etwa Kranken- und Pflegepersonal zum Kundenstamm gehören, die in den Lockdownphasen das eigene Auto aus Infektionsschutzgründen zu Lasten des ÖPNV tendenziell mehr genutzt haben.“ Trotz insgesamt ermutigender Ergebnisse sei deshalb zu konstatieren, dass die für 2021 erhoffte Erholung der Lage im Reifenfachhandel nicht flächendeckend eingetreten sei.

Für die Betriebe der Branche gelte es deshalb, ihr engeres Marktumfeld kontinuierlich zu beobachten, ihre Geschäftsstrategie öfter nachzujustieren und auch ihre Preise vernünftig – sprich: renditeorientiert – zu kalkulieren. „Nur so kann es gelingen, an der prognostizierten insgesamt leicht positiven Marktentwicklung zu partizipieren!“