Pressemitteilung

Reifenfachverband fordert hürdenlosen Zugang zu Fahrzeugdaten

Zukünftige Fahrzeug-Typengenehmigung und Kfz-GVO: BRV schließt sich den Forderungen des freien Werkstattsektors an

Moderne Kraftfahrzeuge sind rollende Datenspeicher
Moderne Kraftfahrzeuge sind rollende Datenspeicher. Der Zugriff auf diese Daten wird zum Wettbewerbsfaktor für Kfz-Serviceanbieter.

Mit zunehmender Digitalisierung der Fahrzeuge wird es für freie Werkstätten immer schwerer, Kfz-Serviceleistungen ungehindert anbieten und erbringen zu können. Denn hierfür wäre ein möglichst hürdenloser und gleichberechtigter bi-direktionaler Zugang zu den Fahrzeugdaten und -funktionen notwendig. Es sieht jedoch so aus, als wollten die Automobilhersteller, als initialer Empfänger dieser Daten, ihre Hoheit im Zugriff auf Fahrzeug- und fahrzeuggenerierte Daten so wenig wie möglich mit dem freien Kfz-Service- und -Ersatzmarkt teilen. Damit wäre, speziell für die Teilnehmer des unabhängigen Kfz-Aftermarktes, ihr Geschäftsmodell dadurch bedroht, dass die Hersteller mangels vorhandener, ausreichend wettbewerbssichernder Regelungen digitalisierte After-Sales-Dienste derzeit vorrangig über ihre eigenen Werkstattnetze generieren können. Mit dem Ergebnis, dass die Innovation und das Angebot des unabhängigen Marktes gehemmt oder erschwert und sich damit, zum Nachteil der Verbraucher, kein „echter Wettbewerb“ zu den Herstellern entwickeln würde.

Zurzeit nehmen die Automobilhersteller etwa bei „Over-The-Air-Updates“ oder „On Demand Car Functions“ eine Monopolstellung ein. Dies betrifft eine Vielzahl von Services im Werkstattgeschäft, von Navigationsfunktionen und Smartphone-Interfaces über die Anpassung der Motorleistung/Reichweite bis hin zu Einparkassistenten oder Spurhalte- bzw. Spurwechselassistenten.

Die Vertreter des freien Kfz-Servicemarktes formieren sich deshalb und fordern einen gesetzlichen Rahmen, der gewährleistet, dass zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbs alle Werkstätten solche Dienste mit verhältnismäßigem Aufwand Verbrauchern anbieten können.

Einer dieser Vertreter ist der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV). „Zusammen mit dem Wirtschaftsverband der Deutschen Kautschukindustrie (wdk), in dem die Reifenhersteller organisiert sind, dem Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes ZDK und vielen anderen Verbänden und Organisationen arbeiten wir in der Arbeitsgemeinschaft Telematik daran, sicherzustellen, dass für den ‚independent automotive aftermarket‘ eine sektorspezifische Regelung für den freien, nicht diskriminierten, sicheren und bi-direktionalen Zugang zu Fahrzeugdaten und -funktionen ermöglicht wird.“, sagt Michael Schwämmlein, Geschäftsführer Technik beim Bonner Reifenfachverband. Denn die früher relativ klaren Grenzen zwischen spezialisierten Reifenserviceunternehmen und freien Kfz-Werkstätten verschwimmen in den letzten Jahren zunehmend, so dass die vom BRV vertretenen Unternehmen mittlerweile überwiegend als freie Werkstätten mit Serviceangeboten rund ums Auto und einem besonderen Schwerpunkt auf Dienstleistungen im Bereich Reifen-/Fahrwerkservice anzusehen sind.

Das von der AG Telematik geforderte Modell ist die „S-OTP“ (Secure open telematic platform), das die Teilnehmer des freien Kfz-Servicemarktes dem sogenannten Adaxo-Konzept der Fahrzeughersteller entgegensetzen. „Nur so ist eine von Innovation und Wettbewerb geprägte Einbindung der unabhängigen Marktteilnehmer zum Wohl des Verbrauchers und im Sinne des Datenschutzes möglich“, sagt Schwämmlein. Die im S-OTP-Modell beschriebenen Festlegungen sollen, so die Forderung, in den Typengenehmigungs-Verordnungen der EU verankert werden.

Darüber hinaus ist der BRV, selbst Fördermitglied des ZDK, als ständiges Gastmitglied in dessen Bundesfachgruppe „Freie Werkstätten“ aktiv. Diese stellte am 5. Mai dieses Jahres eine detaillierte Forderungsliste auf, um sicherzustellen, dass in der Kfz-GVO die „freie Kfz-Werkstatt“ in ihren Möglichkeiten in Bezug auf Serviceleistungen, Wartung und Instandsetzung/Reparatur von Fahrzeugen nicht benachteiligt wird. Die bestehende Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für den Kraftfahrzeugsektor auf EU-Ebene läuft Ende Mai 2023 aus. In einer umfassenden Evaluierung kam die EU-Kommission jüngst zu dem Schluss, dass der gegenwärtige rechtliche Rahmen, den Kfz- und Vertikal-GVO und die ergänzenden Leitlinien vorgeben, für die Märkte zwar geeignet ist, aber möglicherweise in gewissem Maße aktualisiert werden sollte, um der zunehmenden Bedeutung von Daten Rechnung zu tragen.

Ende Mai dieses Jahres hat die EU-Kommission die Phase der politischen Entscheidungsfindung eingeleitet, um bis zum 31. Mai 2023 festzulegen, ob der geltende Kfz-Gruppenfreistellungsrahmen verlängert, überarbeitet oder beendet wird. „Auch im Rahmen dieses Prozesses werden wir im Schulterschluss mit den anderen Vertetern des Kfz-Servicemarktes mit Nachdruck unsere Position vertreten und schließen uns deshalb den Forderungen uneingeschränkt an“, kündigt Michael Schwämmlein an und ergänzt: „Auch dies zielt letzten Endes ab auf einen freien Wettbewerb im Sinne des Verbrauchers.“