Pressemitteilung

Reifenersatzgeschäft 2023 in Deutschland

Leichtes Absatzplus im Segment Consumer-Reifen, Lkw-Reifen enttäuschend

Knapp 44,5 Millionen Pkw-, Transporter- (Leicht-Lkw-, kurz LLkw-) und Lkw-Reifen wurden im vergangenen Jahr im Reifenersatzgeschäft in Deutschland verkauft, das entspricht mit einem minimalen Plus von 0,23 Prozent in etwa der  Absatzmenge des Vorjahres. „Mit Zuwächsen bei Umsatz und Rohertrag und einem positiven Betriebsergebnis kann die Reifenhandelsbranche in Deutschland für 2023 damit zwar kein herausragendes, angesichts der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation aber doch ein zufriedenstellendes Geschäftsjahr bilanzieren“, resümiert Michael Schwämmlein, Geschäftsführer Technik beim Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV, Bonn), aus den vom Verband ausgewerteten Marktdaten zum quantitativen wie qualitativen Geschäftsverlauf 2023.

Größtes Marktsegment Consumer-Reifen: Absatzgewinner Ganzjahresreifen, Verlierer Sommerreifen, verhaltene Prognose für 2024

Mit einem Anteil von 94,5 Prozent der verkauften Gesamtmenge wird das Reifenersatzgeschäft in Deutschland (Sell-Out, Absatz Handel an Verbraucher) klar vom Produktsegment Consumer-Reifen dominiert. Dieses setzt sich aus den beiden Produktgruppen Pkw-/4x4-Reifen und Leicht-Lkw-Reifen zusammen, von denen wiederum die Pkw-/4x4-Reifen mit knapp 91 Prozent der in diesem Segment realisierten Stückabsätze den Löwenanteil ausmachen. Im Vergleich zu 2022 konnte der Stückabsatz im Consumer-Segment insgesamt leicht um etwa 1 Prozent gesteigert werden, was nach Analyse des Verbandes insbesondere auf die anziehende Nachfrage in den letzten vier Monaten des Jahres zurückzuführen ist.

Getragen wird die im Durchschnitt positive Entwicklung von einer weiteren Steigerung des Absatzes an Ganzjahresreifen, die mit einer zweistelligen Zuwachsrate in der Produktgruppe Pkw-/4x4-Reifen (+11,6 Prozent) und einem Plus von 5,2 Prozent bei LLkw-Reifen nach der eher verhaltenen Entwicklung im Vorjahr unerwartet hoch ausgefallen ist. Der Winterreifenabsatz lag im Durchschnitt des Segments Consumer-Reifen in etwa auf Vorjahresniveau (-0,1 Prozent), der Sommerreifenabsatz ging hingegen um durchschnittlich 7,2 Prozent zurück.

Die Nachfrage nach Pkw-Reifen – der mit Abstand größten Produktgruppe im Reifenersatzgeschäft – wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Der Pkw-Bestand in Deutschland ist laut Kraftfahrt-Bundesamt im vergangenen Jahr wieder leicht gestiegen, ebenso wie das Fahrzeugalter, das jetzt im Durchschnitt bei 10,3 Jahren liegt. Vereinfacht gesagt, ist beides aus Sicht der Reifenhandelsbranche positiv zu werten: Mehr und ältere Fahrzeuge bedingen vom Grundsatz her mehr Reifenersatzbedarf. Auf der anderen Seite stehen aber eine um knapp 2 Prozent weiter gesunkene durchschnittliche Jahresfahrleistung und die Entwicklung hin zu längerlebigen Reifen, mit denen die Hersteller den zunehmend anspruchsvollen Forderungen der EU nach mehr Nachhaltigkeit im Produktlebenszyklus Rechnung tragen. Hinzu kommt eine abgeschwächte Konsumneigung der Verbraucher durch Kaufkraftverluste in der anhaltenden Inflation. Die Chancen auf ein größeres Mengenwachstum im Reifenersatzmarkt sind dadurch in einem ohnehin gesättigten Markt stark begrenzt. Da zudem die gesamtwirtschaftlichen Prognosen für das laufende Jahr nicht sehr optimistisch sind, rechnet der BRV für das Geschäftsjahr 2024 derzeit mit einem Wachstumspotenzial von bestenfalls rund einem Prozent Absatzmenge im Segment Consumer-Reifen. Ähnlich wie 2023 wird dies voraussichtlich primär weiter getrieben sein von steigender Nachfrage nach Ganzjahresreifen, bei gleichzeitig rückläufigen Absatzzahlen in den Produktgruppen Sommer-, aber auch Winterreifen.

Lkw-Reifen: Enttäuschung auf ganzer Linie

Im Segment Lkw-/Busreifen ging die Absatzmenge im Reifenersatzgeschäft 2023 um durchschnittlich fast 12 Prozent auf knapp 2,43 Millionen Stück zurück (Vorjahr: 2,75 Mio.). Gründe für den unerwartet starken Rückgang der Nachfrage sieht der Fachverband u. a. in einem von 2022 auf 2023 um fast 7 Prozent gesunkenen Transportaufkommen (km-Leistung) deutscher Fahrzeuge und um 24 Prozent gestiegenen Neuzulassungszahlen im Segment der Fahrzeuge über 6 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht. Vom Hersteller mit Neureifen ausgerüstet, haben diese erst einmal keinen Ersatzbedarf.

Von der im Ersatzgeschäft mit Lkw-Reifen abgesetzten Menge entfielen knapp 1,77 Mio. Stück auf Neureifen, das entspricht einem Minus von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Runderneuerte Lkw-Reifen lagen mit 662.000 Stück Absatzmenge 2023 sogar um 13,5 Prozent hinter Vorjahr zurück. Und das trotz aller Bestrebungen um mehr auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wirtschaft. „Runderneuerte sind quasi das Paradebeispiel für eine im Sinne größtmöglicher Ressourcen- und Umweltschonung funktionierende Kreislaufwirtschaft“, erklärt Michael Schwämmlein vom BRV, „aber immer noch müssen wir zusammen mit den überwiegend mittelständisch strukturierten Runderneuerungsunternehmen in Deutschland dafür kämpfen, dass sich diese Erkenntnis auch auf politischer Ebene auf breiter Front durchsetzt.“ Einstweilen geht der Anteil runderneuerter Reifen an der Absatzmenge im Lkw-Reifensegment zugunsten von Neureifen weiter zurück: von 27,8 Prozent im Vorjahr auf 27,3 Prozent im Geschäftsjahr 2023, und für das laufende Jahr rechnet der Verband mit einem weiteren Anteilsrückgang um 0,4 Prozentpunkte.

Im Segment Lkw-Reifen insgesamt sieht der BRV für 2024 ein Absatzpotenzial von gut 2,5 Mio. Stück und prognostiziert damit im Durchschnitt ein Plus von 3,4 Prozent (4 Prozent bei Neureifen, 2 Prozent bei runderneuerten).

Zum Reifenabsatz für die Fahrzeugsegmente Motorrad, landwirtschaftliche Maschinen (AS-Reifen) und Erdbewegungsmaschinen (Baustellen- und Minenfahrzeuge, EM-Reifen) veröffentlicht der BRV, anders als bisher, derzeit aufgrund der immer schlechteren und diffuseren Datenlage keine Absatzzahlen. Für die detailliertere Erfassung des Sell-Outs in diesen Produktgruppen will der Verband ein neues Absatzpanel aufbauen. Das Panel soll künftig Aufschluss auf die Entwicklung in den „Nischensegmenten“ geben, die - bezogen auf den Gesamtabsatz von Reifen in Deutschland - mit einem in den Jahren bis 2022 ausgewiesenen Anteil um zusammen etwa vier Prozent eine eher marginale Rolle spielen.

Absatzkanäle: Reifenhandel bleibt stärkster Player in den großen Marktsegmenten

Ein Hauptgrund dafür, dass der Reifenhandelsverband im Segment Motorradreifen kaum über belastbare Daten zum Mengenabsatz verfügt, ist die Tatsache, dass ein wesentlicher Teil nicht über den Reifenfachhandel, sondern über Motorradwerkstätten verkauft wird.

Völlig anders ist dies im Segment Lkw-Reifen: Hier dominiert traditionell der spezialisierte Reifenfachhandel das Geschäft. Sein Absatzanteil liegt der aktuellen BRV-Distributionsanalyse zufolge nahezu stabil bei 90 Prozent, der Rest entfällt zu gleichen Teilen auf die beiden Distributionskanäle Autohäuser/markengebundene Kfz-Werkstätten und freie Kfz-Werkstätten.

Im Fahrzeugsegment Pkw ist es kaum noch möglich, klare Grenzen zwischen Reifenfachhandel und freien Kfz-Werkstätten zu ziehen. Deshalb weist der BRV in seiner Distributionsanalyse für die Produktgruppe Pkw-Reifen beide zusammengenommen als einen Vertriebskanal aus. Im Feld der Mitbewerber ist dieser mit 69,5 Prozent Absatzanteil führend und konnte im Vergleich zu 2022 im letzten Jahr wegen der Nachfrageverschiebung vom Privat- ins Flottengeschäft sogar leicht hinzugewinnen. Autohaus/markengebundene Werkstätten realisierten nahezu stabil rund 20 Prozent Anteil, Fachmärkte (3,6 Prozent des Pkw-Reifenabsatzes) und der B2C-Onlinehandel (6,7 Prozent) haben zugunsten des Reifenfachhandels leicht verloren. Anders als in anderen Handelsbranchen ist seit Jahren kein „Online-Boom“ zu verzeichnen, was in erster Linie auf den mit dem Produkt Reifen verbundenen Beratungsbedarf und auf die damit ebenfalls eng verknüpften Dienstleistungen (Reifenmontage, RDKS-Service, Einlagerungen etc.) zurückzuführen ist.

Geschäftsentwicklung trotz allem positiv

Trotz der Stagnation der Absatzmenge im Kerngeschäft Reifenhandel konnten die Unternehmen der deutschen Reifenhandels- und -servicebranche 2023 erneut positive betriebswirtschaftliche Ergebnisse erwirtschaften. Indikator hierfür sind die jüngst vorgelegten Ergebnisse des BRV-Jahresbetriebsvergleichs 2023 für den Reifenfachhandel. Wie schon allgemein bei der Absatzentwicklung erwähnt, konnten auch die am Betriebsvergleich teilnehmenden Reifenfachhandelsbetriebe zum Jahresende Boden gut machen und dadurch sowohl den Umsatz (im Schnitt +2,6  Prozent) als auch den Ertrag (im Schnitt +4,3 Prozent) gegenüber dem Vorjahr ausbauen. Trotz deutlicher Kostensteigerungen bei Personal- und Raumkosten  verbleibt unter dem Strich ein betriebswirtschaftliches Ergebnis von 0,4 Prozent vom Umsatz im Branchendurchschnitt (Vorjahr: 0,7 Prozent). Klassische, nicht-filialisierte Reifenhandelsbetriebe lagen hier mit weit überdurchschnittlichen 4,2 Prozent vom Umsatz ähnlich im Plus wie im Vorjahr.

Bei der Analyse der auf die einzelnen Geschäftsbereiche entfallenden Umsätze fällt auf, dass sich die Anteile weiter zugunsten der Dienstleistungsbereiche Reifen- und Autoservice (zusammen fast 30 Prozent; Vj.: knapp 29 Prozent) und zu Lasten des Reifenverkaufs (gut 65 Prozent, Vj.: knapp 66,5 Prozent) verschoben haben. „Dies zusammen mit den positiven betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zeigt uns, dass die Betriebe der Branche weiter der seit Jahren empfohlenen Handlungsmaxime gefolgt sind, ihr Geschäft durch den Ausbau des Dienstleistungsbereichs und eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Kalkulation der Dientleistungspreise zu stärken.“, sagt BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin. „Die Strategie, allein auf Maximierung der Absatzmenge zu setzen, kann angesichts der begrenzten, tendenziell rückläufigen Nachfrage und der gestiegenen Produktpreise im Einkauf kein Erfolgsrezept sein.“